Betula Pendula

von Ulrike Mohr

Ein Bäumchen steht im Wiesengrün, ganz still und stumm – inmitten der historischen Bürgergärten Arnsbergs.

Doch dieser Birkenbaum ist besonders und hat eine Menge zu erzählen: als kleiner Birkensamen flog er in der Hauptstadt Berlin umher und wurzelte auf dem Flachdach des Palastes der Republik. Ein echtes Pionier-Pflänzchen, das widerstandsfähig war und mit wenig Erde auf dem zementierten Dach des Asbest-Gebäudes zurecht kam. Die Birke wuchs und gedieh.

Sie wurde ein vegetativer Zeitzeuge eines spannenden Kapitels der Deutschen Geschichte. Doch eines Tages sollte dieses geschichtsträchtige Gebäude abgerissen werden und damit auch die Birke ihr Zuhause und Dasein verlieren.

Am 4. April 2006 stoppte die Künstlerin Ulrike Mohr für einen Tag die Abrissarbeiten des Palastes der Republik, um fünf Palastbäumchen auszugraben und zu retten.

Die Bäumchen fanden an mehreren Kunstorten, wie z.B. der Berlin Biennale, der Neuen Nationalgalerie und dem Skulpturen-Park Berlin projektbezogen Unterkunft.

Im Winter 2012 gelang es dem Kunstverein Arnsberg, dem ersten dieser Palastbäumchen ein dauerhaftes Zuhause in den klassizistischen Bürgergärten zu geben - genau in den Gärten, die einst von den preußischen Beamten aus Berlin angelegt wurden, um sich gesellig die Zeit im tiefen Sauerland zu versüßen.

Nach fast 200 Jahren hat ein wildes Gewächs aus Berlin, das wie ein Freiheitskämpfer auf dem Palastdach des kommunistischen Headquarters der DDR wuchs, eine neue Heimat gefunden. Ein pflanzlicher Migrant, der sich als politische Skulptur wunderbar zwischen den Nachbarbäumen einfügt und gut verwurzelt in Arnsberg ist.